Deutsche “Leckereien” wie festkochende Kartoffeln, Schwarzbrot und H-Milch findet man in den USA in keinem Supermarkt. Doch von kulinarischer Unterversorgung kann dank Zehn-Kilo-Reisbeuteln und “St. Pauli Girl” keine Rede sein. (2. August 2005)

Einkaufen in einem amerikanischen Supermarkt ist wie der Besuch einer Pop-Art-Ausstellung – überall Werbe-Ikonen: Coca Cola, Heinz Ketchup, Campbell’s Tomato Soup. Doch wo findet man das vierlagige Toilettenpapier?

Als Einwanderer sieht man das gigantische Warenangebot eines amerikanischen Supermarkts mit anderen Augen als ein Tourist. Man braucht auf einmal mehr als ein paar Dosen Cola, eine Tüte Mini-Snickers und eine Packung Kekse für unterwegs. Kaum ist die Freude darüber vergangen, dass die Einkaufswagen nicht zusammengekettet sind, wird man auch schon mit einer gigantischen Auswahl an Produkten konfrontiert, die sich zugegebenermaßen nur minimal von denen aus der Heimat unterscheiden.

Die globale Angleichung der Produktpaletten im Laufe der letzten Jahrzehnte lenkt die Aufmerksamkeit aber auf die verbleibenden Unterschiede in Preisen, Packungsgrößen und Produktzusammensetzungen. Und eben diese Unterschiede sind genauso banal wie mysteriös.

Warum sind in den USA Taschentücher und Toilettenpapier immer nur zweilagig? Warum gibt es keine Tiefkühlkräuter und keine Instant-Gemüsebrühe? Und warum gibt es Spülmittel nicht als Konzentrat? Kommt Fairy Ultra vielleicht doch aus Villa Riba und nicht aus Amerika? Obwohl Brot, selbst uramerikanisches Toast, teurer ist als in Deutschland, gehen die in Deutschland hochpreisigen Toastbrötchen im Dutzend zu 99 Cent über die Theke. Küchenpapierrollen hingegen kosten häufig mehr als einen Dollar – pro Rolle!

Generell sind Lebensmittel in den USA teurer als in Deutschland, aber Milchprodukte stechen daraus noch einmal hervor. 4,59 Dollar für eine Durchschnittspackung Butter haben mich dermaßen geschockt, dass ich sofort vergaß, dass meine Suche nach haltbaren Milchprodukten erfolglos blieb. Es gibt zwar frische Milch mit drei Prozent Fett, zwei Prozent Fett, einem Prozent Fett, entrahmte Milch, laktosefreie Milch, mit Vitamin D angereicherte Milch, Ziegenmilch, Buttermilch und Sojamilch, aber nirgendwo H-Milch.

Bei manchen Produkten irritiert die Abfüllmenge, so zum Beispiel bei Saft und Milch in Gallonengröße (ca. 3,8 Liter). Auch 20-Pfund-Reisbeutel und 36 Toilettenpapierrollen in einer Packung konnten mich am Anfang noch beeindrucken. Außerdem bieten die, in jeden größeren Supermarkt integrierten Apothekenbereiche, Aspirin in Fünfhunderter-Packungen an. Vielleicht sollten diese besser neben den 1,75-Liter-Wodka-Flaschen platziert werden.

Deutsche Produkte, oder was man in Zeiten der Globalisierung dafür hält, sind nur punktuell anzutreffen. Glücklicherweise gibt es Nutella, denn ohne wäre meine Frau schon vor Monaten nach Deutschland zurückgekehrt. Und das ist kein Einzelfall. Auch Becks-Bier, Maggi-Suppen und Ritter-Sport-Schokolade halten wohldosiert unser Heimweh in Schach. Nach einer gewissen Zeit fängt man nämlich an, kulinarisches Heimweh zu entwickeln. So lechze ich hin und wieder nach Produkten, von denen ich nicht geglaubt hätte, sie überhaupt vermissen zu können. Ganz normales Graubrot und festkochende Kartoffeln stehen auf dieser Liste bei mir ganz oben.

Doch nicht alle deutschen Produkte wecken Heimatgefühle. Den Peinlichkeitspreis unter den deutschen Exportartikeln erhält die Biermarke “St. Pauli Girl”. Als Exportname für Astra Pilsener könnte man das ja noch durchgehen lassen, aber da auf der Verpackung eine Frau im Dirndl Bier in Maßkrügen serviert und das Kleingedruckte Bremen als Herkunftsort angibt, halte ich von diesem alkoholischen Mixgetränk lieber Abstand. Dann doch lieber ein ehrliches Budweiser. Aber Vorsicht, denn mit dem tschechischen Original aus Budweis hat das nichts zu tun. Original Budweiser wird aus namensrechtlichen Gründen als “Czechvar” vertrieben.

Wenn man mit seinem Becks, Budweiser oder Czechvar schließlich zur Kasse kommt, wird es noch mal typisch amerikanisch. Häufig muss ich trotz Vollbart und als End-Twen beim Alkoholkauf meinen Ausweis zeigen, werde im Anschluss aber gleich gefragt, ob ich Hilfe beim Einladen meiner Einkäufe benötige – selbst wenn diese in einer einzigen Tüte Platz finden. Auf die Hilfe verzichte ich stets. Aber nur, weil ich den Einkaufswagen nach dem beschwerlichen Gang zum Auto nicht zur Ausgabestelle zurückbringen muss. Das könnte man wirklich nicht von mir verlangen. Schön, dass es auf der anderen Seite der Welt wenigstens noch ein paar Unterschiede gibt.