Nicht umsonst sind die USA die Dienstleistungsnation Nr. eins. So verdingen sich Amerikaner gern als Seifenspender oder Parkautomatenassistenten – so lange es Kunden gibt, die solche Dienste in Anspruch nehmen. (20. Juli 2005)
In den USA wird Service groß geschrieben. Nicht nur sind im Supermarkt die Plastiktüten umsonst, die Lebensmittel werden einem auch noch eingepackt. Kellner fragen so häufig, ob alles in Ordnung ist, dass man überhaupt nicht zum Essen kommt. Und in einigen Toilettenräumen von Restaurants und Clubs gibt es sogar Angestellte, die einem Seife aus dem Spender direkt in die Hand spritzen, dann den Wasserhahn aufdrehen und nach dem Waschen noch das Handtuch reichen. Aber wer hätte gedacht, dass sich auch die Parkplatzindustrie plötzlich als personalintensiver Zweig der Dienstleistungsgesellschaft entpuppt? Wie viel Service braucht man schon beim Parken?
Es gibt in den USA zehntausende, vielleicht gar hunderttausende Jobs, die ausschließlich von parkenden Kunden abhängen. Beim “Valet Parking” hat man als Kunde dadurch auch einen echten Mehrwert – Bequemlichkeit. Das Auto wird am Eingang zum Restaurant, Hotel oder Parkhaus gegen eine kleine Gebühr direkt abgenommen und hinterher zurückgebracht. Dann wird die Tür aufgehalten, man gibt das obligatorische Trinkgeld und fühlt sich gleich ein Stück wichtiger, als man ist.
Die meisten Park-Jobs wirken jedoch eher wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, auch wenn der Staat nichts dazu beisteuert. Anders als in Metropolen mit pulsierenden Innenstädten wie New York, Chicago oder San Francisco sind Parkplätze in Los Angeles wegen des dezentralisierten Stadtkerns meistens zahlreich vorhanden und kostengünstig benutzbar. Außer am Strand, am Sunset Boulevard oder am Walk of Fame muss man selten mehr als ein paar Dollar fürs Parken ausgeben. Häufig ist es sogar kostenlos.
Nicht jedoch im Beverly Center in Beverly Hills, einem zehnstöckigen Konsumtempel, der besonders Auswärtige und Touristen anzieht. Drei Stunden Parken kosten den, in Anbetracht der Kundenstruktur, eher symbolischen Preis von einem Dollar. Warum also nicht gleich umsonst wie bei so vielen anderen Shoppingzentren? Wahrscheinlich, weil die Parkzeitmessung und das Kassieren der Gebühr durch freundliche Menschen aus Fleisch und Blut erfolgt, und nicht etwa durch unpersönliche Automaten. Jeder Dollar wird bei der Ausfahrt jedem Fahrer einzeln abgenommen, in bar oder gerne auch per Kreditkarte. Wenn jemals irgendwo Arbeitsplätze durch Automatisierung bedroht sind, dann hier.
Die Beispiele für ABM am Parkplatz sind jedoch zahlreich. Es gibt Parkplätze für weniger als 50 Autos, auf denen ein Parkplatzwächter seine Runden dreht und die Gebühren wie ein Kellner mit dem Gürtelportemonnaie kassiert. Auf dem Sunset Strip stehen freitags und samstags Dutzende von Leuten mit Leuchtstäben, die stundenlang nichts anderes tun, als dem vorbeifließenden Verkehr durch Winken zu signalisieren, dass sich hier ein Parkplatz befindet. Nach Großveranstaltungen gibt es in Parkhäusern und auf Parkplätzen häufig eine Heerschar von Angestellten, die den Verkehrsfluss regeln. Das tun sie, indem sie als menschlicher Pfeil den Weg zum Ausgang weisen.
Den unglaublichsten Park-Job überhaupt hat jedoch der bedauernswerte Mann, den ich kürzlich in einem vollautomatisierten Parkhaus bei seiner Tätigkeit beobachten konnte. Das Parkhaus ist deutscher Machart, also mit einem Ticketspender an der Einfahrt, einem Bezahlautomaten im Treppenhaus und einer automatisierten Schranke an der Ausfahrt, die man mit dem vorher bezahlten Ticket öffnet. Wer denkt, hier gebe es keinen Raum mehr für Service, liegt falsch. Der Angestellte stand neben der Schranke. Seine Aufgabe: das bezahlte Ticket derjenigen Kunden, die zu weit weg vom Einsteckschlitz halten, in selbigen zu stecken. Wenn das im Zuge der Hartz-Reformen in Deutschland als zumutbarer Job für Arbeitslose im Gespräch gewesen wäre, hätte es wohl schon im letzten Jahr Neuwahlen gegeben.